Von Hetzern, Brandstiftern und der schweigenden Mehrheit - Höcke, Pegida und der Anschlag auf Henriette Reker
Es ist ein gemütlicher Sonntagabend, man zappt so ein wenig durch das
Programm und bleibt als politisch interessierter Mensch einmal mehr auf der ARD
hängen. Ich sehe eine Talkrunde, ich sehe Leute in Anzügen. Plötzlich verfällt
einer von Ihnen in eine merkwürdige Melancholie, säuselt davon, dass er an diesem
historischen Ort in Berlin seine Nationalflagge herausholen wolle. Zuerst denke
ich an etwas Zweideutiges, aber Gott sei Dank kramt die Gestalt dann doch „nur“
eine Deutschlandfahne heraus, um sie über seine Sitzlehne zu hängen. Peinliche Stille breitet sich im
Studio aus.
Und ich denke mir nur: „Watt?! Hat „Die Anstalt“ eine neue
Witzfigur? Oder doch eine Wiederholung der Heute Show?“ Gut, ein Einzelfall ist
er nicht, sicherlich haben viele von der AFD eine Fahne…
Quelle: ARD/ARD
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So geschehen am vergangenen Sonntag bei Günther Jauch, dessen Sendung den treffenden Titel „Pöbeln, hetzen, drohen -
wird der Hass gesellschaftsfähig?“ trug. Dass ein solcher Populist dort
ein solches Forum bekommt, ist ohne Zweifel strittig genug. (O-Ton Höcke: „Die
wenigen Deutschen in Berlin, die Sprechen Kanacksprach.“ / „Angsträume für
blonde Frauen werden größer.“) Immerhin erlaubte der Auftritt einen geradezu
bizarren Eindruck darüber, in welcher Parallelwelt aus Angst und Bedrohung sich
viele Menschen angesichts geflüchteter Menschen fliehen. Im Detail ist diese am
besten in der Mediathek der ARD oder in seinen zahlreichen Reden auf YouTube zu
sehen.
Natürlich kann ich von keinem von Euch verlangen, Eure Freizeit mit
solcherlei Propaganda zu verschwenden. Deswegen habe ich das große Opfer für Euch gebracht, mir tatsächlich einige
Minuten von diesem Wirrwarr anzuhören, damit euch nicht die Ohren bluten (mehr
hab ich leider nicht geschafft, da ich das Gefühl hatte, vor lauter Unsinn eine
Hirnblutung zu erleiden):
„Die Asylanten schleppen Krankheiten ein, die wir nicht kontrollieren können. [blabla, mehr wirres Zeug im Hitler/Goebbels-Redeton] Herr Minister Gabriel, kommen Sie zu uns nach Erfurt, wenn Sie sich trauen. Ich fordere Sie! Ich fordere Sie auf zum Rededuell, Sie Volksverräter. […]“
Seine von hunderten Menschen bejubelten Reden und Auftritte
illustrieren, was rechte Typen seiner Coleur in erster Linie auf dem Kasten
haben: Populismus, Angst und – leere Worthülsen. "Angsträume". "Kanacken". "Tausende
Jahre Deutschland". "Allparteienkartell". "Volksverräter". Die Liste ließe sich noch
lange fortsetzen. Wer hier sachliche, mit Daten unterfütterte Argumentationen sucht, der kann lange warten. Eher so etwas hier: „Der
Syrer, der zu uns kommt, hat immer noch Syrien. [...] Wenn wir unser Deutschland
verloren haben, dann haben wir keine Heimat mehr.“ (Quelle: Rede Höckes in Erfurt)
No more words needed.
Heiko Maas stellte in der Sendung sehr richtig fest, dass es zuerst immer die Worte sind, denen irgenwann die Taten folgen. Und die Zeit der Worte ist leider schon lange
abgelaufen. Die Taten sind schon da. Feige, ekelhafte Taten. Nahezu jeden Tag. Angsträume? Ja sicher, aber wohl er für Geflüchtete und Vertriebene...
Was lösen diese Tiraden also bei leicht beeinflussbaren und frustrierten Menschen aus? Nun, das musste der Reporter Abdul Karim von der Deutschen Welle leider am eigenen Leib erfahren. Meinen maximalen Respekt für seine Courage:
Doch es kommt noch schlimmer. Menschen wie Höcke und seinesgleichen haben zudem durch das weltumspannende Informationsnetz heutzutage leider einen Multiplikator an der Hand, von dem die Giftspritze Goebbels vor 80 Jahren nicht mal zu träumen gewagt hätte.
Das Netz ermöglicht leider nicht nur den
Austausch von Wissen und Informationen, sondern im Gegenteil auch von
Desinformation, Unwissen und Aberglauben (Stichworte? Chemtrails,
Impfverschwörer, Holocaustleugnung etc.) Leute, die Ihr Umfeld mit Ihrem halbgaren Halb-, Viertel-
und Achtelwissen zuvor nur regional eingeschränkt belästigen konnten, können
sich nun national oder international vernetzen und sich in Ihrer Paranoia
gegenseitig bestärken.
Wer Hass säht, wird Gewalt ernten...
Das Resultat der mannigfachen Hetze war
kurz vor der Bürgermeisterwahl in Köln zu beobachten, als die parteilose Kandidatin
und inzwischen gewählte Bürgermeisterin Henriette Reker von einem aufgehetzten Mann
brutal niedergestochen wurde – wohl aufgrund Ihrer Engagements für Geflüchtete.
Der 44-Jährige Täter war scheinbar tatsächlich davon überzeugt, mit seinem
Attentat etwas Gutes „für unsere Kinder“ zu bewirken. Der Aufschrei von
Politik, Verbänden und Medien war riesig, die prominent besetzte Mahnwache
namhafter Landespolitiker (u.A. Hannelore Kraft, Christian Lindner und Armin
Laschet) gut besucht. Ein „Aufstand der Anständigen“ wurde beschworen, der die
lebensgefährlich verletzte Reker – angesichts der neuen Dimension der Gewalt jetzt
erst recht – erdrutschartig ins Amt heben sollte. Traurigerweise sollte dieser
berechtigte Aufstand nicht gelingen. So gewann Frau Reker zwar, doch war
ungeachtet der bestialischen Attacke auf eine wehrlose Frau mittleren Alters
die niedrigste Wahlbeteiligung (40,3 Prozent) in der Geschichte Kölns zu
verzeichnen. Ziemlich unanständig.
Zu beobachten ist
hier ein ebenso eklatantes wie beunruhigendes Problem unserer Demokratie. Denn
es wird augenscheinlich, dass sich nicht nur Menschen in strukturschwachen
Randgebieten zunehmend von der Politik abwenden, sondern auch in sonst
liberalen und florierenden Großstädten wie Köln. Keine Anständigen weit und
breit, kein Zusammenrotten gegen Extremisten, nichts. Nur gähnendes Desinteresse
und Apathie. Wahlerfolg hin oder her.
Wehret den Anfängen, Worten folgen Taten. Solange die Mehrheit der toleranten und rationalen
Menschen schweigt, überlassen wir den Extremisten das Feld. Die Pegidisten
schreien „Wir sind das Volk“, um sich aus Ihrer Ohnmacht zu befreien, um sich
zu ermächtigen. Aus einer diffusen Angst vor der Gewalt, die Fremde angeblich
in dieses Land tragen würden. Doch die Scorelist sieht für mich ganz deutlich
anders aus:
Wie der WDR-Redakteur Thomas Spickhofen sehr treffend schreibt, ist es
"an uns allen, diesem Hass, dieser Verachtung und dem Applaus, den sie erhalten, entgegenzutreten. Wir, die meistens schweigende Mehrheit, muss auch ganz klar Nein sagen, und zwar ebenso deutlich und öffentlich. Ebenso ruhig wie entschlossen: Nein, wir wollen das nicht."
Gelegenheiten dazu gibt es wohl leider zur Genüge.
http://www.sauberer-himmel.de/2012/07/26/warum-die-vielen-streifen-am-himmel-keine-kondensstreifen-sind/ soviel zum Thema Chemtrails und Aberglaube...
AntwortenLöschenWie Sie auf einer so haarstreubenden These beharren können ist mir wirklich ein Rätsel. Sie denken nun also, dass durch das hinklatschen eines Links hier die Chemtrail-Verschwörung zum Fakt wird? Was ist das denn für eine Quelle? Eine von einer Privatperson betriebene Seite? Ich gebe Ihnen mal einen geheimen Tipp: Nur weil sich jemand Rechtsanwalt schimpft bedeutet dies noch lange nicht, dass er ernstzunehmen ist. Besonders nicht so einer wie Ihr Dominik Storr, der nach eigener Aussage auch an eine Verschwörung des "khasarischen Judentums" glaubt und seine Sätze mit "Wissenschaftler haben herausgefunden, dass..." beginnt.
LöschenEs tut mir wirklich Leid, aber wenn Sie das wirklich für Bare Münze nehmen, dann ist Ihnen wirklich nicht mehr zu helfen.
Nebenbei ist ein solcher Umgang mit "Informationen" genau das, was ich in dem Artikel gemeint habe. Jeder Querkopf (Sie können mich gerne auch für einen solchen halten) kann über das Netz seine Propaganda teilen und mit Pseudo-Fakten und Quellen unterlegen. Wer hier dann nicht richtig mit dem Medium Internet umgehen kann, verliert sich natürlich leicht in solchen halbgaren Quatsch. Das Interesse der Autoren wie etwa Ihres Dominik Storr liegt dabei auf der Hand: er bietet kostenpflichtige Vorträge an, um seinen Jüngern Geld aus der Tasche zu ziehen.
Danke an dieser Stelle also für Ihr tolles Beispiel!
Beste Grüße!
Hier ist der Urheber der Seite übrigens in Aktion zu betrachten, nur nochmal zur Verdeutlichung; https://www.youtube.com/watch?v=nHX_x_hiqBE
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